Festvortrag über die Reformationsjubiläen

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„Die identitätsstiftende Bedeutung der reformatorischen Jahrhundertjubiläen für den Protestantismus auf dem Weg in das Jahr 2017“ lautete das Thema des Festvortrags, den Professor Dr. Harry Oelke von der LMU München anlässlich der 50-jährigen Jubiläumsfeier der Auferstehungskirche am 28.09.2014 nach dem Festgottesdienst hielt. Damit warf er einen Blick darauf, wie die vorausgegangenen Jubiläen gefeiert wurden. Gleichzeitig schaute er nach vorne auf das Lutherjubiläum 2017 und die damit verbundenen Erwartungen.

Das Lutherjubiläum 1617 bewirkte auf protestantischer Seite ein stärkeres Zusammenrücken der calvinistischen und lutherischen Religionslager. Man bezog Front gegen Papst, katholische Kirche und Jesuiten. Luthers Wirken wurde als heilsgeschichtlich bedeutsame Rettungstat gesehen. 100 Jahre später wurden die Frontlinien zwischen Katholiken und Protestanten weicher gezeichnet, innerlutherische theologische Polarisierungen bestimmten die Feierlichkeiten von 1717. Politische Umstände prägten das 300-jährige Lutherjubiläum. Das aufkommende nationale Denken entdeckte Luther als Identifikationsfigur zur Unterstützung des politischen Anliegens. 1917 fiel das vierte Reformationsjubiläum in die schwere Zeit des ersten Weltkriegs, Luther wurde für viele zum „Vater“ und „Urbild“ der Deutschen.

Als nüchterne Bilanz lässt sich feststellen, dass Luthers theologisches Anliegen über die Jahrhunderte hinweg politisch instrumentalisiert wurde. Jede Jubiläumsfeier stiftete ein Stück neue Identität im Protestantismus, das Erbe der Reformation stellte sich jedoch auch als „schwieriges Erbe“ dar. Durch das Ausgrenzen von Minderheiten war die Reformation keine Bewegung, die Toleranz förderte. Aber schlussendlich sei auch das positive Erbe hervorzuheben, das für evangelische Christen unverzichtbar ist: Die Rechtfertigung des Menschen allein aus dem Glauben, ohne Vorleistungen. Für die Zeitgenossen wurde diese reformatorische Entdeckung Luthers als eine existentielle Befreiung wahrgenommen. Die Aufgabe 2017 wird sein, diese existentielle Befreiung der reformatorischen Lehre für das 21. Jahrhundert zum Klingen zu bringen.